Im Rahmen unserer Serie „La parole est à vous – Sie haben das Wort“ spricht EuroRekruter mit Menschen, die im deutsch-französischen Kontext aktiv sind. In dieser Ausgabe berichtet Daniela Scharf, eine Deutsche, die aktuell in Straßburg lebt und dort bei ARTE arbeitet, von ihrer persönlichen und professionellen Beziehung zu unseren französischen Nachbarn.
Kannst du dich kurz vorstellen?
Ich bin Daniela, 26 Jahre alt und arbeite bei ARTE im Marketing, wo ich mich vorrangig um die Kampagnen-Kooperation mit Media- und Kreativ-Agenturen kümmere, in dieser Abteilung hatte ich während meines Studiums schon ein Praktikum gemacht.
Ich wohne in Straßburg und habe vorher in Weimar und Lyon einen deutsch-französischen Bachelor „Europäische Medienkultur“ absolviert und anschließend einen Master in Kommunikationsmanagement in Gelsenkirchen gemacht.
Warum hast du angefangen, Französisch zu lernen bzw. woher kommt dein Interesse für deutsch-französische Themen?
Da wurde ich von meinen Eltern, besonders von meiner Mutter, beeinflusst, die auch Französisch-LK in der Schule hatte und oft in Frankreich im Urlaub war. Das hat sie an mich und an meine Schwester weitergegeben. Wir haben beide ab der 7. Klasse angefangen Französisch zu lernen. Ich hatte dann auch Französisch-LK im Abi und irgendwann hat man ein Niveau erreicht, bei dem man denkt: „Wow, cool, ich kann mit Leuten reden, ich kann mich ausdrücken und richtig einen Satz mit Tiefe formulieren“. Das wollte ich nicht verlieren und habe mich dazu entschieden, nach dem Abi als Au-Pair nach Frankreich zu gehen. So hat es mich dann nach Biarritz verschlagen, ins Baskenland. Da war ich ein Jahr und habe dort „richtiges“ Französisch gelernt. Letztendlich hat es mir so gut gefallen, dass ich mich dafür entschieden habe, auch das Studium teilweise in Frankreich zu machen.
Gibt es etwas, das dich bei deiner Ankunft in Frankreich überrascht hat oder dass dich in deinem alltäglichen Leben in Frankreich immer noch überrascht?
Ich habe ja inzwischen schon einige Jahre Frankreich-Erfahrung angesammelt, also überrascht mich jetzt langsam nichts mehr, eher überraschen mich jetzt umgekehrt Sachen in Deutschland. In puncto Administration und Bürokratie wird Deutschland ja nachgesagt, kompliziert zu sein. Und obwohl ich schon zugeben kann, dass die Franzosen das Leben irgendwie leichter nehmen, treffe ich dann doch mal auf Stolpersteine, z.B. um meine Versicherung hier zu beantragen. Ansonsten habe ich mich schon ganz gut an die andere Kultur angepasst. In Deutschland geht man nach der Arbeit eher schnell nach Hause, wenn Feierabend ist, hier trinkt man nochmal ein Glas Wein mit den Kollegen und das ist ja eigentlich auch ganz angenehm.
Was gefällt dir am besten an Frankreich?
Man kann das nicht pauschalisieren, denn es kommt eher auf das globale Gefühl im Alltag an. Ich finde, man geht in Frankreich alles ein bisschen weniger ernst an. Die Arbeit wird trotzdem gut und gewissenhaft erledigt, aber man lässt sich nicht so sehr vom Stress einnehmen wie in Deutschland und ist nicht schlecht gelaunt, weil der Tag mal nicht so gut gelaufen ist oder man ein blödes Meeting hatte. Aber auch im Alltag sind die Franzosen, finde ich, besser im „Leben“. Dass man zum Beispiel sagt, ich gehe samstagsmorgens erstmal laufen, und das tue ich für mich und weil ich darauf Lust habe, und danach gehe ich auf dem Markt einkaufen. Das ist aber von Region zu Region nochmal unterschiedlich. So im Großen und Ganzen finde ich einfach die Mentalität und die Atmosphäre in Frankreich angenehmer.
Was magst du am wenigsten?
Da fällt mir jetzt gar nichts ein, das mich stört. Im Allgemeinen haben Franzosen die Tendenz, sich schneller zu beschweren, obwohl es ihnen eigentlich sehr gut geht. Man hat hier z.B. mehr Sozialleistungen als in Deutschland, obwohl Deutschland auch einiges an Unterstützung bietet. Das Land ist wirklich sehr schön und ich glaube, dass es den meisten nicht mehr so richtig bewusst ist, wie gut man im eigenen Land Urlaub machen kann und dass es so viel Diversität in der Natur und der Kultur gibt.
Was denkst du über den Arbeitsalltag und die Arbeitseinstellung der Franzosen?
Das hängt sehr von der Arbeitswelt ab, wenn man in Paris in La Défense im Finanzsektor arbeitet, ist das natürlich etwas ganz anderes als hier. Ich kann nur von mir ausgehen, bei ARTE ist alles sehr kollegial, sehr offen. Bei Fragen oder Problemen wird einem jederzeit geholfen, sei es per Mail oder Teams oder vor Ort im Büro. Innerhalb des Teams ist die Stimmung super und wir tauschen uns gerne bei einem gemeinsamen Kaffee über die Arbeit aus, das ist hier ARTE-intern wirklich sehr angenehm.
Gibt es deiner Meinung nach eine bestimmte Sache, die Deutsche noch von Franzosen lernen könnten?
Einfach ein bisschen gelassener sein. Die Deutschen haben auch ihre Vorteile mit dem „Wort Halten“. Wenn wir um 13 Uhr einen Termin haben und nichts dazwischenkommt, dann komme ich auch und wenn nicht, dann sage ich Bescheid. Aber das Ganze noch ein bisschen gelassener angehen, das würde den Deutschen auch nicht wehtun.
Und wo siehst du deine Zukunft? In Deutschland oder in Frankreich?
In meiner aktuellen Situation sehe ich mich erstmal nicht mehr in Deutschland. Wenn ich nach Deutschland zurückgehe, dann muss mich die Stadt überzeugen, es müssen Freunde in der Stadt wohnen und der Job muss Spaß machen, da muss das Gesamtpaket stimmen, ansonsten zieht es mich dahin erstmal nicht zurück. Und in Straßburg bleiben, warum nicht? Ich finde die Stimmung super, es gibt so viele kleine Sachen, ich kann zum Beispiel einfach mal nach Kehl auf die andere Seite des Rheins fahren und da bei dm einkaufen, die Sachen würden hier das Fünffache kosten. Das ist hier einfach ein kleiner Luxus. Außerdem komme ich aus der Region Frankfurt und bin von hier aus recht schnell mit dem Zug zu Hause. Andererseits würde ich auch gerne nochmal in Lyon wohnen, was etwas südlicher liegt, dann bin ich weiter von meiner Familie entfernt, aber man hat ein südlicheres Klima, die Stadt ist noch ein bisschen größer, aber nicht so groß wie Paris. Gerade jetzt mit dem Lockdown und der Pandemie merkt man, dass der Ort, an dem man wohnt, wichtig ist. Man arbeitet den ganzen Tag zu Hause, sieht immer nur die gleichen vier Wände und freut sich dann natürlich, wenn man eine schöne Stadt oder schöne Natur vor der Haustür hat. Das haben wir hier auch, es gibt ja die Vogesen und auf der anderen Seite den Schwarzwald. Deswegen bin ich noch gar nicht so festgelegt, aber gerade gefällt es mir hier sehr gut.