Im Rahmen unserer Serie „Deutsch-französische Studiengänge“ stellen wir euch die Profile von Studierenden aus verschiedenen Studiengängen und ihre Erfahrungen vor. Heute erzählt euch Leonie, die den Studiengang „European Management Studies“ zwischen der EM Straßburg und der ESB Reutlingen absolviert hat, von ihren persönlichen Eindrücken und Erlebnissen.
Kannst du dich kurzvorstellen?
Ich bin Leonie, 25 Jahre alt und komme aus Niedersachsen. Meinen Bachelor habe ich von 2017 bis 2020 an der TH Köln in Mehrsprachige Kommunikation mit Wirtschaftsschwerpunkt auf Französisch und Englisch gemacht. Anschließend habe ich mich für den deutsch-französischen Master European Management Studies („EMS“) an der ESB Reutlingen in Kooperation mit der EM Strasbourg entschieden und bin dafür im September 2020 für das erste Semester nach Reutlingen gezogen.
Warum hast du dich für ein deutsch-französisches Studium und speziell für diesen Studiengang entschieden?
Im Rahmen meines Bachelorstudiums habe ich ein halbes Jahr für ein Praktikum in Paris gelebt. Das hat mir so gut gefallen, dass für mich klar war, dass ich noch mehr Auslandserfahrung in Frankreich sammeln muss – wenn nicht sogar auf Dauer dort arbeiten und leben möchte. Da man nach einem deutsch-französischen Studium sowohl einen deutschen als auch französischen Abschluss hat, war dieses „Doppeldiplom“ für mich sehr interessant.
Auf den EMS Studiengang bin ich durch Recherche im Internet gestoßen. Neben diesem Master hatte ich mich ebenso für zwei weitere deutsch-französische Masterprogramme beworben: Management Franco-Allemand (Metz – Mainz) und Internationale Wirtschaftsbeziehungen (Freiburg – Créteil).
Das Programm EMS war letztendlich aufgrund des hohen Ansehens der ESB Reutlingen und der EM Strasbourg mein Favorit. Die ESB ist bekannt für ihre wirtschaftlichen Studienprogramme und erzielt regelmäßig Spitzenplatzierungen bei nationalen und internationalen Rankingverfahren (s. https://www.esb-business-school.de/die-esb/qualitaet-akkreditierungen/rankings-akkreditierungen). Auch die EM gehört zu den angesehensten Businessschools Frankreichs und erzielt regelmäßig hohe Rankings für ihre Programme (s. https://www.em-strasbourg.com/de/die-hochschule/rankings).
Wie genau verläuft dein Studiengang?
Das EMS Programm wird nach vier Semestern, also zwei Jahren abgeschlossen und beginnt immer zum Wintersemester eines Jahres. Der Ablauf ist eher unflexibel und vielmehr mit der Schulzeit zu vergleichen, da man nicht wie in üblichen Studiengängen Kurse/ Klausuren schieben oder vorziehen kann. Es gibt einen Stunden- und Klausurenplan, den alle Studierende genauso einhalten müssen.
Das erste Semester findet also in Reutlingen an der ESB statt. Die Kurse werden in Blocks gehalten und sind sehr intensiv. Die Klausuren finden daher über das ganze Semester statt, es gibt also keine typischen Klausurenphasen.
Das zweite Semester wird als Praxissemester in Deutschland absolviert und muss zwischen 4 und 6 Monaten dauern. Bei der Auswahl des Praktikums ist man sehr flexibel, sowohl in Hinsicht auf den Standort als auch hinsichtlich des Tätigkeitsbereichs. Ich habe mein Praktikum damals in Hamburg bei Tchibo im Einkauf gemacht.
Das dritte und vierte Semester findet ab September im wunderschönen Straßburg als „Alternance“, also als duales Studium, statt.
Das dritte Semester (ca. Anfang September bis Ende März) sieht einen wöchentlichen Wechsel zwischen Vorlesungen an der EM und praktischer Tätigkeit im Unternehmen vor. Theoretisch hat man bis Ende November Zeit, einen Arbeitgeber für seine Alternance zu finden, der Großteil meiner Klasse (22 von 24 Studenten) hat jedoch zu September (oder sogar bereits zu Juli/ August) in einem Unternehmen beginnen können. Die Mindestdauer für die Alternance beträgt sechs Monate. In aller Regel werden die Verträge allerdings für zehn, meist zwölf Monate abgeschlossen. Ich habe zwölf Monate bei Dr. Oetker Frankreich im Einkauf gearbeitet.
Während des vierten Semesters (ab April), arbeitet man Vollzeit im Unternehmen und schreibt nebenbei seine Masterarbeit (je nach Wunsch auf Deutsch, Englisch oder Französisch). Die Masterarbeit wird i. d. R. im Unternehmen geschrieben und umfasst 100 Seiten +/- 20 %. Abgabetermin ist Ende Juni, man kann sich daher vorstellen, wie intensiv die Zeit noch einmal ab April wird.
Hattest du neben deinem Studium Zeit für einen Studentenjob?
Ganz klar: Nein. Wie bereits beschrieben sind besonders das 1., 3. und 4. Semester sehr zeitaufwendig. Noten werden definitiv nicht verschenkt – wer ehrgeizig ist und einen guten Abschluss will, muss einiges dafür tun und sich gut organisieren können. Der gute Ruf der ESB und EM kommt nicht von ungefähr. Aber keine Angst: Es gab in unserem Jahr niemanden, der es nicht geschafft hat und im Nachhinein kann man wirklich stolz auf seinen Abschluss hier sein.
Außerdem bekommt man als Deutsche/-r, die/der über die ESB eingeschrieben ist, im 3. und 4. Semester das Erasmus Stipendium sowie eine Förderung der DFH (deutsch-französische Hochschule). Franzosen, die über die EM eingeschrieben sind, bekommen diese Stipendien im 1. und 2. Semester.
Hast du deutliche Unterschiede zwischen dem deutschen und dem französischen System bemerkt? Gab es Kulturschocks oder Überraschungen?
An den Systemen gab es keine derartigen Unterschiede, die mir aufgefallen sind. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass der Studiengangskoordinator in Straßburg deutsch ist. Auffällig an beiden Schulen, noch etwas mehr in Straßburg, war allerdings, dass Studierende nach ihrem Notendurchschnitt ständig gerankt wurden. Das mag allerdings auch üblich sein an Business Schulen…
Haben deine jeweiligen Universitäten dich bei der Suche nach einem Praktikum oder einer Arbeitsstelle unterstützt?
Die ESB hat zwar ein Jobportal, vom Gefühl her war es für Deutsche allerdings relativ unkompliziert, ein Praktikum an einem beliebigen Ort in Deutschland zu finden. Für einige Franzosen war es etwas komplizierter. Die ESB hat zur Unterstützung Online-Jobmessen organisiert und die Suche über Plattformen wie Jobteaser und Firmenforum unterstützt, sodass alle Studierende rechtzeitig ein Praktikum beginnen konnten.
Die Schulverwaltung der EM hat regelmäßig Alternancestellen per Mail an die Studenten verschickt. Ich weiß, dass einige meiner Kommilitonen ihre Alternance letztendlich über diese Hilfe gefunden haben. Außerdem wurden ebenso Online-Jobmessen organisiert und es gab ein Jobboard für EM Studenten (Career Center).
Man kann/muss natürlich auch unabhängig von der Uni nach Angeboten suchen, z. B. über indeed, LinkedIn, (lokale) Unternehmensseiten und/oder natürlich via EuroRekruter ;-).
Wie läuft das Aufnahmeverfahren für diesen Studiengang ab?
Das Aufnahmeverfahren gestaltet sich unterschiedlich, je nachdem ob man über die EM oder die ESB zugelassen wird (beide Schulen haben jeweils 15 Plätze pro Jahr zu vergeben). Über die EM ist es etwas einfacher zugelassen zu werden, da man seine Bewerbung lediglich online einreicht. Vorsicht: Ist man deutsche/-r Staatsbürger/-in ist eine Einschreibung über Straßburg nicht zu empfehlen, da man in diesem Fall keine Stipendien beantragen kann – das geht nur als französische/-r Staatsbürger/-in. Andersherum genauso: Als französische/-r Staatsbürger/-in sollte man sich nicht über die ESB bewerben.
Über die ESB findet das Auswahlverfahren zunächst mit einer Online-Bewerbung statt, woraufhin man gegebenenfalls zu einem persönlichen/Online-Gespräch eingeladen wird. Hier werden z. B. Französischkenntnisse getestet und über ein bis zwei politische bzw. aktuell relevante Themen diskutiert. Aber auch hier muss man keine Angst haben: Es sind für gewöhnlich keine Fragen, die bestimmte Vorkenntnisse verlangen, es geht eher darum, Standpunkte mit guten Argumenten zu vertreten und internationale Themen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Auch bzgl. der Französischkenntnisse sollte man sich keine Sorgen machen: In unserer Klasse gab es sowohl Studierende, die problemlos fließend sprechen konnten, als auch Studierende, die seit dem Abi kein Französisch mehr gesprochen hatten. Außerdem wurden in den letzten Jahren meist nicht alle 30 Studienplätze belegt, sodass viele Studenten spätestens im Nachrückverfahren doch noch einen Studienplatz bekommen haben.
Wie läuft dein Start auf dem Arbeitsmarkt nach Abschluss des Masters?
Das Studium ist sehr generell gehalten, daher stehen einem der Berufseinstieg in diversen Tätigkeitsbereichen offen. Besonders die praktische Erfahrung, die während des Studiums gesammelt werden konnte, ist hier sehr wertvoll und interessant für Unternehmen. Es war bislang für keinen meiner Kommilitonen kompliziert, einen passenden Job zu finden. Nicht zuletzt aufgrund der niedrigen Gehälter in Frankreich ist ein Großteil meiner Kommilitonen allerdings nach dem Studium zurück nach Deutschland gegangen (sowohl Franzosen als auch Deutsche). Ich persönlich möchte in Straßburg wohnen bleiben und eventuell als Grenzgänger in Deutschland arbeiten.
Mehr Informationen zum Studiengang und zur Bewerbung findest du auf der Seite der ESB Reutlingen und der Deutsch-Französischen Hochschule.
Wir haben außerdem einen französischen Student des gleichen Studiengangs zu den gleichen Fragen interviewt. Lies dir den Bericht von Romain auf Französisch durch, um deine Informationen zu diesem Studiengang zu komplettieren!