Im Rahmen unserer Serie „La parole est à vous – Sie haben das Wort“ spricht EuroRekruter mit Menschen, die im deutsch-französischen Kontext aktiv sind. In dieser Ausgabe berichtet Feli, deutsche Autorin und Gründerin des Blogs „Berlinerin in Frankreich“, von ihrer persönlichen Beziehung zu unserem französischen Nachbarland.
Könntest du dich kurz vorstellen?
Hallo! Ich bin Felicitas! Ich lebe mit meiner Familie in Nizza und in einem kleinen Ort in den französischen Seealpen.
Ursprünglich bin ich Historikerin. Im Jahr 2018 habe ich den Blog Berlinerin in Frankreich ins Leben gerufen, in dem ich über Frankreich, dessen schöne Landschaften, kulturelle Highlights und sehenswerte Städte, aber auch über das Auswandern, die französische Gesellschaft und mein Leben schreibe.
Warum hast du angefangen, Französisch zu lernen, beziehungsweise woher kommt dein Interesse für deutsch-französische Themen?
Ich habe Französisch als 2. Fremdsprache in der Schule gelernt, nicht weil ich ein besonderes Interesse für die Sprache hatte, sondern weil das damals einfach so war. Aber ich habe sehr schnell gemerkt, dass mir Französisch wesentlich mehr liegt als Englisch.
Später, an der Uni, habe ich mich dann entschieden im Rahmen des Erasmus-Austauschprogrammes ein Jahr an einer ausländischen Hochschule zu verbringen. Da war der Weg nach Frankreich der naheliegendste, schon deshalb, weil mein Französisch besser war als mein Englisch.
Da es mich schon damals weit weg und in den Süden gezogen hat, habe ich mich um einen Austauschplatz an der Université de Provence beworben und wurde schließlich auch genommen. So habe ich mein erstes Auslandsjahr in Aix-en-Provence verbracht.
Zu dem Zeitpunkt, als ich mich entschloss für ein Jahr nach Frankreich zu gehen, war ich mit meinem Geschichtsstudium schon fast fertig und die Planung meiner Magisterarbeit schwebte schon in meinem Kopf herum. Also beschloss ich, mich auf französische Kolonialgeschichte zu spezialisieren. Ich hatte mich schon immer für unterschiedliche Kulturen, ihr Zusammenleben und die Konflikte zwischen ihnen interessiert.
Damals war ich offen für Neues und meine Interessen waren sehr vielfältig. Ich hatte die Vorstellung, dass dieses Austauschjahr nicht nur ein kurzes Intermezzo sein sollte, an dessen Ende meine Rückkehr nach Deutschland stand, sondern der Anfang von etwas Neuem!
Was hat dich dazu motiviert, mit deinem Blog „eine Berlinerin in Frankreich“ in diesem Bereich aktiv zu werden?
Ich habe Berlinerin in Frankreich ins Leben gerufen, um mein Wissen über Frankreich, meine Begeisterung und manchmal auch meine Kritik mit meinen Lesern zu teilen.
Als ich nach Frankreich ging, hatte ich eine bestimmte Vorstellung von diesem Land und seinen BewohnerInnen. Diese Vorstellungen waren teilweise seit meiner Kindheit gewachsen, teilweise durch Literatur und Medien geprägt.
Als ich dann aber ein paar Jahre in Frankreich lebte, stellte ich fest, dass viele dieser Vorstellungen völlig falsch waren. Überhaupt schließt man ja gerne von sich auf andere. Wenn also im eigenen sozialen Umfeld gewisse Vorstellungen und Verhaltensweisen vorherrschen, geht man erst einmal intuitiv davon aus, dass das in anderen Gesellschaften auch so ist. So habe wohl nicht nur ich, sondern die meisten Deutschen, eine Vorstellung von Frankreich und den Franzosen, die nicht unbedingt der Realität entspricht.
Bloggen ist für mich eine Möglichkeit die Welt etwas kleiner zu machen und Menschen miteinander zu verbinden. In Frankreich sieht man vieles anders als in Deutschland. Man diskutiert über andere Themen. Hält andere Dinge für wichtig. Darüber möchte ich auf Berlinerin in Frankreich erzählen und so zum gegenseitigen Verständnis beitragen.
Natürlich geht es auf Berlinerin in Frankreich auch darum, wofür Frankreich in der ganzen Welt bekannt ist: die großartige und vielfältige Natur, ein unglaublich reiches historisches und kulturelles Erbe – und nicht zu vergessen – die französische Lebensart.
Als Bloggerin über dein Leben in Südfrankreich setzt du dich täglich mit der französischen Kultur und Gesellschaft auseinander. Was ist dir besonders aufgefallen an Unterschieden oder auch Gemeinsamkeiten beider Kulturen?
Ich möchte mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Verallgemeinerungen bezüglich ganzer Kulturen und Gesellschaften sind ja immer schwierig. Aber nach meinem persönlichen Eindruck, ist die französische Gesellschaft traditioneller und autoritärer als die deutsche.
Gleichzeitig sind die französischen Frauen weniger stark als die deutschen an ihre Familie gebunden. Die Vorstellung, dass Frauen arbeiten gehen und ein erheblicher Teil der Erziehung der Kinder durch staatliche oder private Institutionen übernommen wird, ist stark verbreitet. Auch Ehen lassen sich leichter wieder lösen als in Deutschland.
Frankreich ist ein laizistisches Land. Religion ist eine private Angelegenheit. Es ist verpönt, jemanden nach seinem Glauben zu fragen. Dagegen passiert es ständig, dass man von Menschen, die man nicht kennt, gleich am Anfang eines Gespräches nach den einführenden Worten „ich höre da einen kleinen Akzent heraus“ gefragt wird, wo man denn herkommt.
Franzosen lieben es in allen möglichen Bereichen Regeln und Verbote aufzustellen und diese Regeln und Verbote dann zu brechen. Demgegenüber herrscht eine viel größere gesellschaftliche Toleranz als in Deutschland. Das kann alle möglichen Bereiche betreffen: rote Ampeln, parken in der zweiten Reihe, nächtliche Ruhestörung, Fahren ohne Papiere, was auch immer.
Ich schätze es weiterhin, dass man andere Menschen in der französischen Arbeitswelt beim Vornamen anspricht. Das ist persönlicher.
Gibt es deiner Meinung nach einen bestimmten Aspekt, den sich die Deutschen von den Franzosen abgucken sollten?
Es gibt vieles, was ich an den Franzosen – wenn man überhaupt so verallgemeinert von „den Franzosen“ sprechen kann, schätze. Die Franzosen sind ja nicht umsonst für ihre Lebensart, also der Kunst zu leben bekannt. Im Deutschen wird diese gern als Savoir-vivre bezeichnet. Allem voran geht es um gutes Essen, für dessen Zubereitung viel Zeit aufgewendet wird und das aus qualitativ hochwertigen, möglichst regionalen Zutaten besteht.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist eine ausgewogene Work-Life-Balance, bei der man (im Idealfall) nicht lebt, um zu arbeiten, sondern arbeitet, um sich ein erfülltes Leben zu ermöglichen. Dieses Leben besteht eben nicht nur aus Arbeit, sondern auch aus Freizeit und (wie ich erst in Frankreich gelernt habe) ausreichend Schlaf.
Zur französischen Lebensart gehören für mich aber auch weniger offensichtliche Dinge, die das Zusammenleben angenehmer machen. Ganz wesentlich ist die Toleranz gegenüber anderen oder gegenüber Verhaltensweisen und Meinungen, die man nicht versteht oder nicht teilt. Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist die französische Freundlichkeit. Hinzu kommt die Strategie, in Konfliktsituationen nicht jeden Gedanken auszusprechen, sondern einfach mal den Mund zu halten und Gegensätze auszuhalten. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass bei vielen Franzosen der Wunsch, einen Streit auszutragen oder Kritik laut hervorzubringen, weniger stark ausgeprägt ist.
Was sind deine deutsch-französischen Projekte für die Zukunft?
Ich bin gerade dabei Berlinerin in Frankreich weiter auszubauen. Schwerpunkt wird zukünftig meine neue Heimat, also die Côte d’Azur, die französische Riviera oder etwas allgemeiner die Provence sein. Mit meinem Blog möchte ich TouristInnen helfen, diese wirklich beeindruckende Region mit ihrem ganz besonderen Flair individuell zu entdecken und ihre BewohnerInnen kennenzulernen. Für mich persönlich ist es sehr wichtig, dabei darauf aufmerksam zu machen, dass auch hier nachhaltiges Reisen möglich und in Zukunft notwendig ist, um diesen wunderbaren Naturraum zu erhalten.
Außerdem spiele ich gerade mit dem Gedanken, ein Buch und einen Reiseführer zu schreiben. Es ist unglaublich, wie viele spannende Dinge man über diese tolle Region zwischen Mittelmeer und Alpen erzählen kann.