Interview mit Frank Gröninger – Autor „Douce Frankreich“

Foto des deutsch-französischen Autors Frank Gröninger, der das Buch "Douce Frankreich" geschrieben hat und der als Lehrer am französischen Außenministreium arbeitet.

Im Rahmen unserer Serie „La parole est à vous – Sie haben das Wort“ spricht EuroRekruter mit Menschen, die im deutsch-französischen Kontext aktiv sind. In dieser Ausgabe berichtet Frank Gröninger, seit 2017 Deutsch-Franzose und Autor des Buches „Douce Frankreich„, von seiner persönlichen Geschichte und Entwicklung im Nachbarland sowie von seinen beruflichen Erfahrungen als Lehrer am französischen Außenministerium.

Können Sie sich kurz vorstellen?

Mein Name ist Frank Gröninger. Ich komme aus einer kleinen Stadt in Hessen und lebe seit 30 Jahren in Frankreich, habe seit 2017 auch die französische Staatsbürgerschaft, zusätzlich zur deutschen. Ich unterrichte Deutsch und interkulturelle Beziehungen am französischen Außenministerium und an der Universität Sciences Po in Paris.

Woher kommt Ihr Interesse für deutsch-französische Themen? / Was hat Sie inspiriert, nach Frankreich zu gehen?

Ich war immer schon von Frankreich und der Sprache (es war Liebe auf den ersten Ton) angezogen und bei meinem ersten Besuch wusste ich: hier will, hier muss ich leben. Ich habe dann alles darangesetzt, das zu schaffen. Meine ersten Erfahrungen in Frankreich habe ich als Aupair in Paris gesammelt.  Deutsch-französische Themen finde ich besonders interessant, da wir scheinbar so gleich und doch so verschieden sind.

Sie haben die französische Staatsbürgerschaft angenommen und leben inzwischen fast länger in Frankreich als in Ihrer Heimat Deutschland. Fühlen Sie sich heute mehr wie ein Franzose als wie ein Deutscher?

Ich fühle mich „sowohl als auch“ und „weder noch“, ein Gefühl, mit dem ich anfangs nicht so leicht umgehen konnte. Aber nirgendwo und doch überall dazuzugehören gibt einem auch unglaublich viel Freiheit, nämlich die Möglichkeit, zwischen den beiden Kulturen hin und her zu wandeln.
Ich mache keinen wirklichen Unterschied, in der Liebe , die ich für Deutschland empfinde und der Liebe für Frankreich, da diese beiden Lieben komplementär sind. Leben will ich allerdings in Frankreich, um diese Komplementarität zu haben.

Sie haben bei Ihrer Entdeckung Frankreichs und der französischen Kultur sicher auch einige Überraschungen erlebt. Können Sie mit uns einige Ihrer „coups de coeur“ und Ihrer „chocs culturels“ teilen?

Choc culturels hatte ich eher am Anfang, durch sprachliche Schwächen, die zu Missverständnissen geführt haben, aber auch, weil ich versucht habe, die Franzosen mit den Augen eines Deutschen zu verstehen. Heute versuche ich zwei Brillen -eine deutsche und eine französische- zu tragen.
Ich habe jeden Morgen un coup de coeur, wenn ich zur Arbeit gehe und sehe, wie die Cafés öffnen und bereit sind, ihre Gäste „pour un petit café en terasse“ zu empfangen.

Bei welchem Themen sehen Sie anhand Ihrer persönlichen Erfahrungen die größten Verständnisschwierigkeiten zwischen Deutschen und Franzosen?

Ich glaube, das Hauptproblem besteht darin, dass wir immer davon ausgehen, doch so gleich zu sein und somit die Unterscheide nicht sehen, die zwischen uns bestehen. Nach dem Krieg musste man natürlich versuchen, Gemeinsamkeiten zu finden, damit die beiden Völker sich näher kommen, sich „beschnuppern“ konnten. Ich denke, heute ist es wichtig, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwar zu pflegen, aber auch zu verstehen, warum man selbst so reagiert und das Gegenüber in diesem oder jenem Punkt anders tickt.

Was haben Sie selbst schon unternommen, beruflich wie privat, um die deutsch-französische Freundschaft bzw. Zusammenarbeit zu fördern?

Ich unterrichte Deutsch an verschiedenen Institutionen, u.a. am französischen diplomatischen Institut und meine Aufgabe ist nicht nur, die Sprache zu vermitteln, sondern zum gegenseitigen Verständnis beizutragen, also auch kulturelle Unterschiede zu beleuchten, die sich natürlich oft in der Sprache widerspiegeln oder wo man mit einigem Zusatzwissen der anderen Kultur sprachlich schnell mal eine angespannte Situation entspannen kann.
In den Verhandlungen sprechen die französischen und deutschen Minister jeweils in ihrer Muttersprache, aber der kurze Smalltalk davor und danach, der ist eigentlich entscheidend für das Verhältnis. Zum Beispiel haben wir geübt, wie man in einer Minute Fahrstuhlfahrt entspannt über das Wetter redet.
In besonderer Erinnerung: Die Reisen mit Deutschlernenden zwischen 22 und 67 Jahren nach Nürnberg, Hamburg, Köln, Heidelberg….

Haben Sie den Eindruck, dass in französischen Schulen die deutsche Sprache und der kulturelle Austausch heute weniger Interesse bei den Schülern wecken als vor 10 Jahren oder ist der Trend eher positiv?

Es gibt in der Tat ein steigendes Interesse an Deutschland- gerade in dem Bereich, in dem ich arbeite. In den Ministerien und anderen öffentlichen Verwaltungen arbeitet man eng mit Deutschland zusammen, ruft sich an, trifft sich, stimmt sich ab – was nicht immer einfach ist.
Auch bei jungen Leuten stelle ich einen eher positiven Trend fest, dank des positiven Bildes der „coolen Stadt Berlin“, nicht nur als Partystadt, sondern auch als Vorreiter für Nachhaltigkeit. Allerdings sollte zur Gewinnung des gegenseitigen Interesses noch viel geschehen. So sollte beispielsweise in den Fernsehnachrichten endlich das Interesse an Deutschland geweckt werden – und Nachrichten über Deutschland nicht nur als Randbemerkung erscheinen (wenn überhaupt). Ein weiterer wichtiger Punkt wären interkulturelle Klassen auf Französisch über die Besonderheiten der verschiedenen Kulturen Europas, anstatt nur die nationale Sicht zu betrachten – heute wichtiger denn je, um geopolitische Fragen zu verstehen und in einer globalisierten Welt zu leben und zu arbeiten.

Nach dem Erfolg mit Ihrem Buch „Douce Frankreich“, was sind Ihre deutsch-französischen Projekte für die Zukunft?

Ich habe „Douce Frankreich“, das ich zuerst auf Französisch geschrieben habe, ins Deutsche übersetzt. Zurzeit schreibe ich regelmäßig Chroniken für Radio France bleue, in denen ich auf lustige, aber liebenswerte Weise, die kleinen französischen Besonderheiten kommentiere, die mir auffallen. Zudem sitze ich gerade an einem zweiten Buch, das sich ebenfalls mit den deutsch-französischen Verhaltensweisen und Besonderheiten beschäftigt.

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