Management und Teamgeist im deutsch-französischen Vergleich

Was macht eigentlich einen guten Chef aus? Wie arbeitet ein Team am effizientesten zusammen? Und wie kommuniziert man am besten mit seinen Kollegen? Wenn man diese Fragen einem Franzosen und einem Deutschen stellt, bekommt man zum Teil sehr unterschiedliche Antworten. Denn in Bezug auf Management und Teamgeist existieren einige deutsch-französische Unterschiede, denen man sich bewusst sein sollte, wenn man im jeweils anderen Land arbeiten möchte.

Wie funktioniert das Hierarchieverständnis in Frankreich?

Das beginnt bereits beim Rollenverständnis der Chefs:
Grundsätzlich spielt die Hierarchie in französischen Unternehmen eine deutlich größere Rolle und der Manager zeigt deutlich mehr Autoritätsverhalten als in Deutschland.

Ein französischer Arbeitnehmer erwartet von seinem Vorgesetzten, dass er die Richtung vorgibt, motiviert, kontrolliert und v.a. die Entscheidungen trifft.
Aufgaben werden zwar delegiert, die Verantwortung bleibt jedoch beim Chef. Die Erwartung an eine deutsche Führungskraft dagegen ist eher, dass sie Ziele vorgibt, für deren Erreichung die Mitarbeiter zu sorgen haben. Es werden nicht nur Aufgaben, sondern auch die Verantwortung dafür delegiert. Von den deutschen Mitarbeitern wird dann erwartet, dass sie die Aufgaben auch ohne Kontrollen und Rücksprachen durch den Chef selbstverantwortlich erfüllen.

Die deutsche Führungskraft übernimmt also die Rolle des strukturierenden Moderators in einem partizipativen Miteinander, während die französische Führungskraft als Verantwortlicher direktiv tätig ist und Entscheidungen überwiegend alleine trifft.

Der Grundstein wird in Schule und Berufsausbildung gelegt

Dieses hierarchische Rollenverständnis beginnt in Frankreich bereits mit der Schulausbildung, bei der die Lehrkraft meist eher frontal unterrichtet und Gruppenarbeit sowie mündliche Beteiligung zweitrangig sind. So kann ein Schüler in Deutsch eine „18 sur 20“ (entspricht 1-) als Note bekommen, aber wenn man ihn fragt „Wie geht’s?“ (Ça va?) bekommt man erstmal keine Antwort, da er vollkommen unsicher ist, was er sagen soll. Klassisches Beispiel von fehlender mündlicher Praxis und einem Unterrichtsstil, der den Schülern nicht genug erlaubt sich zu trauen, auch mal Fehler zu machen.

Geht es in Richtung Studium, werden französische Führungskräfte meist auf sogenannten „Grandes Ecoles“, also Elitehochschulen wie z.B. der École des Hautes Etudes Commerciales (HEC) oder auch Ingenieurshochschulen wie der École Polytechnique, ausgebildet. Ein Universitätsstudium hat z.B. in den Bereichen Gesellschafts- oder Wirtschaftswissenschaften ein schlechteres Ansehen und kann einem den Weg zu den interessantesten Stellen in Frankreich erschweren, wohingegen es in Deutschland ganz „normal“ ist, an der Uni studiert zu haben. Der Führungsanspruch französischer Manager leitet sich also zu großen Teilen von ihrer Ausbildung und der bereits früh auf Individualität geschulten Persönlichkeit ab, wohingegen von einem deutschen Manager in erster Linie Fachkompetenz erwartet wird, unabhängig vom Hintergrund seiner Ausbildung. In Frankreich dagegen ist die Tatsache auf einer Elitehochschule studiert zu haben, eine Auszeichnung, die einen die ganze Karriere lang begleitet, auch wenn die Leistung im Job nicht unbedingt herausragend ist.  Grundsätzlich ist es für sogenannte Quereinsteiger also etwas leichter in Deutschland als in Frankreich, wo Diplome und das Hochschulranking eine große Rolle spielen. Dies gilt allerdings nicht für Start-Ups, die, wie in Deutschland auch, eher nach den passenden praktischen und charakterlichen „Skills“ suchen als nach guten Noten in der Schule.

Wie trifft man Entscheidungen in Frankreich im Vergleich zu Deutschland?

Auch wenn der Entscheidungsfindungsprozess grundsätzlich nicht verallgemeinert werden kann, gibt es doch typische Merkmale, die die Entscheidungsfindung in Deutschland und Frankreich unterscheiden. Dies verdeutlichen die beiden folgenden Beispiele:

In Deutschland: Während einer Teambesprechung, in der eine Entscheidung getroffen werden muss, kommt es zu einer kontroversen Diskussion zwischen allen Beteiligten. Jeder gibt seine Meinung ab. Man kann sich seinem Vorgesetzten entgegenstellen, um seinen Standpunkt zu verteidigen und seine Ideen durchzusetzen. Die Diskussion ist lebendig, offen und konstruktiv. Am Ende wird ein Konsens erreicht und eine Entscheidung getroffen, die von der Führungskraft abgezeichnet wird. Nach diesem Prozess werden alle Mitarbeiter auf die getroffene Entscheidung hinarbeiten. 

In Frankreich: Auch wenn sich alle aktiv an der Diskussion beteiligen, wird ein Mitarbeiter nur ungern seinem Vorgesetzten widersprechen. Die Argumente und Meinungen der Führungskraft haben viel Gewicht und wir sehen oft, dass Mitarbeiter ihre Ideen zurückstellen – oder nicht sagen, was sie denken -, um ihrem Chef nicht direkt zu widersprechen. Am Ende wird der Chef eine Entscheidung treffen, die nicht unbedingt das Ergebnis einer übereinstimmenden Meinung innerhalb des Teams ist. Nach diesem Prozess kann es unzufriedene Mitarbeiter geben, die die Entscheidung infrage stellen, sodass neu diskutiert wird und eventuell Änderungen vorgenommen werden müssen.

… wenn Sie also ein Deutscher in Frankreich sind, zögern Sie nicht, mit Ihrem Chef eine Entscheidung erneut zu besprechen, die bereits in einer Gruppe getroffen wurde!
…und wenn Sie ein Franzose in Deutschland sind, zögern Sie nicht, Ihrem Chef in einer Besprechung zu widersprechen, auch vor Ihren Kollegen!

Was verstehen Franzosen unter Teamarbeit?

Aber auch das grundsätzliche Verständnis davon, was ein Team ausmacht, unterscheidet sich in Deutschland und Frankreich. In Deutschland wird Teamarbeit zumeist als ein Zusammenwirken verstanden, bei dem sich alle Beteiligten (idealerweise) in gleicher Weise einsetzen, um auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten. 

In Frankreich liegt der Fokus mehr auf dem individuellen Beitrag, also die Mitwirkung des Einzelnen an der Arbeit. Im Team-Meeting in Frankreich kann es dann z.B. passieren, dass jeder Mitarbeiter einzeln seine eigene kreative Lösung für ein neues Design präsentiert und auf die Anerkennung seines Vorgesetzten hofft, während in Deutschland das Team vor dem Meeting die verschiedenen Vorschläge besprochen hat und ein und zwei Vorschläge präsentiert, die als Gemeinschaftsprodukt aus der Teamarbeit entstanden sind.  In deutschen Teams herrscht folglich eher die Vorstellung von einer gemeinsamen Dynamik, während in französischen Teams mehr die individuelle Leistung im Vordergrund steht. 

Während der deutsche Chef in der Regel auf die Vorschläge seines Teams eingeht, kann es in Frankreich passieren, dass er alle Vorschläge aus dem Team ablehnt, weil er selbst noch eine viel bessere Idee hatte, für die er sich dann entscheidet und die weiteren Aufgaben für die Umsetzung delegiert.

Zeitmanagement Frankreich vs. Deutschland

Außerdem ist das Zeitmanagement in deutschen und in französischen Teams häufig unterschiedlich. In der deutschen Arbeitswelt werden Aufgaben in klare Zeitfenster gepackt, Zeitpläne müssen zuverlässig eingehalten werden und ein funktionierendes Zeitmanagement gilt als Kernelement von Professionalität. Nicht umsonst existiert das Klischee über die deutsche Pünktlichkeit, Sorgfalt und Zuverlässigkeit, welches sicherlich in vielen Deutschen tatsächlich verankert ist und übrigens von vielen französischen Unternehmen sehr geschätzt wird, wenn sie deutsche Mitarbeiter rekrutieren. Vor allem deutsche Chefs lassen sich deshalb ungern den Zeitplan spontan durcheinanderbringen und sind auch leicht gestört, wenn das französische Gegenüber beim Meeting auf einmal von der Tagesordnung abweicht (oder es vielleicht gar keine Tagesordnung gibt). Die Arbeitsorganisation der Franzosen ist dagegen flexibler, selbst wenn auch hier Pläne gemacht werden und Kontrollsysteme zur akribischen Überwachung der geleisteten Arbeit existieren, aber es gibt auch öfter mal spontan Änderungen, auf die die Franzosen leichter eingehen als die typischen Deutschen. Auch mit Verspätungen, sei es im beruflichen Alltag oder privat, gehen Franzosen grundsätzlich gelassener um als Deutsche.

Wie läuft die interne Kommunikation ab?

Ein letzter wichtiger Unterschied zwischen deutschen und französischen Teams liegt in der internen Kommunikation. Während in Frankreich Smalltalk eine große Rolle spielt und am Arbeitsplatz auch gerne über private Themen ausgetauscht wird, sind Deutsche eher dafür bekannt, sehr direkt zur Sache zu kommen.

Das klassische Beispiel der Mittagspause, davon haben Sie vielleicht schon gehört: Der Franzose geht in ein Bistro, bestellt ein warmes Mittagsmenü und verbringt locker 1-1,5 Stunden damit, die Gelegenheit für ein anregendes Gespräch unter Kollegen zu nutzen, während der Deutsche sein selbstgemachtes Sandwich mit etwas Rohkost dazu allein am Schreibtisch vor dem Computer verzehrt, vielleicht schnell noch ein paar private Emails checkt, um dann nach einer halben Stunde wieder mit der Arbeit weiterzumachen. 

Das ist für ihn ausreichend und effizient, Quatschen mit Freunden (oder Kollegen) passiert dann erst nach der Arbeit beim wohlverdienten Feierabend! Klingt extrem? Laut Aussagen vieler Expats in beiden Ländern und unseren eigenen persönlichen Erfahrungen, ist aber trotzdem viel Wahres dran. 

Damit wirken Deutsche auf Franzosen oft recht konfrontativ. Wer also bei seinen französischen Kollegen und Kunden gut ankommen will, sollte besser nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und sich ein bisschen mehr Zeit für den kollegialen Austausch auf der Arbeit nehmen.

Interessant ist auch zu beobachten, wie man sich im beruflichen Umfeld untereinander anredet, denn kurioserweise ist man im „autoritätsgeprägten“ Frankreich sehr schnell beim Vornamen + Sie (oder sogar Du), während man sich in Deutschland oft mit Frau… oder Herr…anredet und auf jeden Fall Richtung Chefetage oder beim Kundenkontakt überwiegend siezt. Das wirkt von außen betrachtet eher so, als wären die Hierarchien in Frankreich flacher als in Deutschland, obwohl in der Tat tendenziell eher das Gegenteil der Fall ist. Aber wie schon erwähnt, alles kommt auch immer auf das Unternehmen an und die Umgangsformen lassen sich nicht unbedingt in „typisch französisch“ oder „typisch deutsch“ kategorisieren. 

Typisch französisch gibt es nicht

In Unternehmen mit sowohl deutschen als auch französischen Mitarbeitern werden Sie aber sicherlich früher oder später auf den Franzosen treffen, der morgens um 7 Uhr anfängt zu arbeiten, wo der Schreibtisch picobello aufgeräumt ist, der immer pünktlich und gut organisiert ist und andererseits werden Sie auf den Deutschen stoßen, wo das Chaos den Schreibtisch regiert, der grundsätzlich zu spät kommt und generell etwas unorganisiert in seiner Arbeitsplanung ist. Alles schon erlebt! 

Deshalb ist es ganz wichtig, keine Nationalität mit festgefahrenen Vorstellungen zu verbinden, sondern immer möglichst offen auf neue Personen zuzugehen, erst recht in einem anderen Land. 
Natürlich gibt es wirklich kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass es sich dabei nur um oberflächliche Beobachtungen handelt. Diese treffen zwar in vielen Fällen zu und können einem Ausländer in einer fremden Arbeitsumgebung eine erste, grundsätzliche Orientierung bieten – aber selbstverständlich kann je nach Unternehmen und Arbeitskontext der französische Arbeitgeber oder das französische Team auch ganz anders sein als oben beschrieben. 

Falls Sie sich noch intensiver mit dem Thema Interkulturalität und deutsch-französische Unterschiede auseinandersetzen möchten, schauen Sie doch gerne auf unserer Seite „Kulturelle Unterschiede“ vorbei oder informieren Sie sich noch mehr im Detail über das französische Bildungssystem. Für Unternehmen mit Bedarf an Gruppen- oder Einzel-Coaching für mehr interkulturelle Kompetenz, z.B. im Rahmen einer Fusion mit einem französischen Unternehmen, empfehlen wir Ihnen gerne unseren Partner gbo Human Resources, der mit dieser Thematik sehr gut vertraut ist und effiziente praktische Hilfestellung bieten kann.

Wir wünschen Ihnen auf jeden Fall viel Spaß beim Entdecken der französischen Kultur und ihrer verschiedenen Facetten – eine Auslandserfahrung bringt immer eine Mischung aus Abenteuer und neuer interkultureller Kompetenz mit sich!

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