Im Rahmen unserer Serie „La parole est à vous – Sie haben das Wort“ spricht EuroRekruter mit Menschen, die im deutsch-französischen Kontext aktiv sind. In dieser Ausgabe berichtet Mariska Kistemaker von ihrem deutsch-französischen Parcours und ihrer erfolgreichen Geschäftsidee, um Deutschen und Franzosen eine weitere Möglichkeit zu geben, interkulturelle Erfahrung zu sammeln.
Du bist beruflich im deutsch-französischen Bereich tätig. Kannst du dich und deine Arbeit kurz vorstellen?
Ich bin die Gründerin von A comme Anders – eine Anlaufstelle für Familien im Raum Paris, die sich eine deutschsprachige Kinderbetreuung für zu Hause wünschen. Wir sind ein Startup, das seit der Gründung 2022 auf ein Team von 25 Personen angewachsen ist.
In Paris lebe ich seit 2015. Ich bin als Deutsch-Niederländerin mit ein paar ersten Jahren Berufserfahrung in der Tasche und einer großen Begeisterung für die französische Kultur und Sprache nach Paris gekommen. Meine Expertise liegt vor allem im Bereich der mehrsprachigen Erziehung, die ich während meines Masterstudiums und meiner Tätigkeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin erworben habe. In meiner letzten beruflichen Position bei ARTE konnte ich ein umfangreiches Netzwerk im deutsch-französischen Kontext aufbauen.
Woher kommt dein Interesse für deutsch-französische Themen?
„Frankophil“ bin ich schon seit einem 6-monatigen Schüleraustausch in Montréal im Jahr 2006. Damals war ich 16 Jahre alt. Seither gehört die französische Sprache zu meinem Alltag. Auslandssemester, Freundschaften, Studienkurse, ein Nebenjob als Übersetzerin (und ja, ein abgebrochenes Studium „deutsch-französisches Recht“), haben mich selbst zu einer deutsch-französischen (und niederländischen!) Person gemacht. Mir selbst haben diese vielen interkulturellen Begegnungen ein starkes Bewusstsein für Europa geschenkt, das ich mit meiner Arbeit gern weitergeben möchte. Nach dem Brexit ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich wichtiger denn je. Als zwei der größten und einflussreichsten Mitglieder der EU müssen Deutschland und Frankreich zusammenarbeiten, um die Position der EU zu stärken und die Einheit unter den Mitgliedsstaaten zu fördern. In diesem Sinne ist das Hauptziel von A comme Anders, das gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit zwischen jungen Deutschen und Franzos*innen langfristig zu stärken.
Wie kamst du auf die Idee, A comme Anders zu gründen und was gefällt dir an deiner Arbeit am meisten?
Ich bin selbst in einem zweisprachigen, deutsch-niederländischen Umfeld groß geworden und weiß deshalb die vielen Vorteile einer bilingualen Erziehung zu schätzen. Im Berufsleben stehen einem alle Türen offen, wenn man mehrere Sprachen fließend beherrscht.
Durch meine Arbeit bei ARTE und den Kontakt zu deutsch-französischen Netzwerken ist mir bewusst geworden, wie viele Familien im Raum Paris verzweifelt eine deutschsprachige Kinderbetreuung suchen. Die Suche nach einer geeigneten und dauerhaften Person erweist sich oft als schwierig und frustrierend: Es ist nicht nur kompliziert, deutschsprachige und verfügbare Personen zu finden, sondern es handelt sich auch häufig um vorübergehende und unversicherte Lösungen. Mit A comme Anders möchte ich Familien als komplementäres Angebot zum Deutschunterricht in der Schule die Möglichkeit bieten, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Spielerisches Deutschlernen und zuverlässige Kinderbetreuung!
Welche eventuellen Hürden gab es beim Aufbau deiner deutsch-französischen Klientel?
Auch wenn das nicht ganz bescheiden klingt, haben wir keine Hürden beim Aufbauen einer Kundschaft empfunden. Tatsächlich machen wir kaum Werbung. Viele Kund*innen haben von befreundeten Familien, via „bouche à oreille“, von uns gehört.
Unsere Herausforderung liegt viel mehr im Finden von geeignetem, deutschsprachigem Personal. Auch wenn alle Sprach- und Kulturvermittler*innen fest eingestellt werden, können wir die meisten Mitarbeitenden nur halbtags einstellen, da fast alle Familien eine Betreuung für die sogenannten „sorties d’école“ von etwa 16 bis 19 Uhr suchen oder mittwochs ganztägig. Wir stellen nur Leute mit Erfahrung in der Kinderbetreuung ein. So viele geeignete Kandidat*innen wie Familien gibt es im Raum Paris nicht. Daher werben wir das meiste Personal direkt in Deutschland an. Damit einher geht, dass wir eine Zimmervermittlung anbieten sowie Hilfe bei allen administrativen Hürden und der Anmeldung bei der französischen Sozialversicherung, denn ohne diese Hilfe würden viele Arbeitsverträge nicht zu Stande kommen. Ein erheblicher, aber unabdingbarer Mehraufwand!
Du gibst Deutschsprachigen die Möglichkeit, Arbeits- und Lebenserfahrung in Frankreich zu gewinnen. Was muss man in Frankreich anders angehen als in Deutschland, wenn es um die Arbeit geht?
Der Großteil unserer Sprach- und Kulturvermittler*innen sind junge Menschen, die oft noch nie außerhalb des Elternhauses gewohnt haben und ein Auslandsjahr in Paris verbringen möchten, bevor sie ihre Ausbildung oder ihr Studium anfangen! Von daher ist für viele unserer MitarbeiterInnen nicht nur das Arbeitsleben in Frankreich, sondern das Arbeitsleben generell neu.
Insofern müssen viele erst einmal generelle Pflichten und Rechte (!) als Arbeitnehmer*in kennenlernen, wie zum Beispiel, dass man sich krankschreiben muss, wenn man krank ist. Das ist natürlich in beiden Ländern gleich. Aus administrativer Sicht ist der Ablauf bei einer Krankmeldung jedoch ganz anders: Wir empfehlen euch daher, falls ihr eine Stelle in Frankreich beginnt, euch vorab darüber zu informieren und euch schonmal einen Hausarzt zu suchen, bevor ihr krank werdet, damit die erste Krankschreibung nicht zu stressig wird.
Aus eigener Erfahrung habe ich festgestellt, dass die unsichtbaren Regeln im Bewerbungsverfahren bei französischen Unternehmen anders sind. Ich habe zum Beispiel das Gefühl, dass in Frankreich oft der Lebenslauf wichtiger ist als das Motivationsschreiben – oft wird gar kein Motivationsschreiben verlangt.
Das Bewerbungsverfahren bei A comme Anders läuft über ein Bewerbungsformular ab.
Gibt es deiner Meinung nach einen bestimmten Aspekt, in dem die Deutschen noch von den Franzosen lernen könnten?
Aber ganz klar! Ich bin davon überzeugt, dass wir gegenseitig – vor allem im Arbeitsleben – unglaublich viel voneinander lernen können. Ich bin selbst ein überaus organisierter Mensch und gehe sehr strukturiert vor. Oft habe ich mit französischen KollegInnen darüber gewitzelt, weil die Organisationsweise tatsächlich ein kultureller Unterschied zu sein scheint. Was ich selbst gelernt habe, ist, dass manchmal, wenn man zu stark und zu chronologisch in seiner Organisation vorgeht, die Kreativität flöten geht und kein Platz mehr für Intuition und Inspiration bleibt. Ich versuche selbst, ein Gleichgewicht zwischen Organisation und Spontanität zu finden und werde sicher in den nächsten Jahren noch weiter dazulernen. 🙂